Mein Roman und St. Petersburg

 
Titelbild meines Romans:

Der Newski-Prospekt mit dem Kaufhaus Gostiny Dwor

  Fjodor Iwanowitsch
Tjutschew (1803-1873)

Der Spruch, den ich meinem Roman vorangestellt habe, wird bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten von Russland-Freunden und Russland-Skeptikern zitiert. Hier nochmal eine andere Übersetzung von Siegfried von Nostitz:

Mit dem Verstand ist Russland nicht zu fassen,
Gewöhnlich Maß misst es nicht aus.
Man muss ihm sein Besondres lassen,
d.h. dass man an Russland glaubt!

Der, der diese Zeilen im Jahre 1866 schrieb, war ein bedeutender Lyriker, stand viele Jahre im diplomatischen Dienst Russlands und war über 20 Jahre einer der obersten Zensoren des Zarenreichs! Schon diese wenigen Stichworte machen deutlich, dass das berühmte Zitat durchaus auch auf seinen Verfasser zutrifft. Im Jahre 1866 hatte er bereits die ersehnte Stelle des Zensors für ausländische Literatur erlangt!

Er stammte aus einer Adelsfamilie. Mit 14 wurde er Mitglied der „Gesellschaft der Freunde für russ. Dichtkunst und Sprache“, mit 16 bestand er die Aufnahmeprüfung für die Universität in Moskau. Das dreijährige Philologie-Studium absolvierte er in zwei Jahren. Durch die Vermittlung eines Onkels, eines Helden der Napoleonischen Kriege, wurde er im Alter von 19 Jahren der russischen Gesandtschaft am Hof der Wittelsbacher in München zugeteilt. In Deutschland blieb er fast 20 Jahre, mit Abstechern nach Italien und der Schweiz. Er heiratete zweimal, eine deutsche Gräfin und eine deutsche Baronin, mit letzterer hatte er zwei Töchter. Wieder zurück in Russland verliebte er sich unsterblich in die Gouvernante seiner Töchter, der er einen ganzen Zyklus von Liebesgedichten widmete.

Seine Natur- und Liebesgedichte werden gerühmt wegen ihrer Gedankentiefe, Wärme des Gefühls und Formvollendung. Tolstoi, mit dem er über die Mutter verwandt war, hat über ihn gesagt: “Ohne ihn könnte ich mir mein Leben nicht vorstellen.“ Viele seiner Gedichte („Der Winter hat zu Recht gegrollt“, „Wie schön, wenn zu Beginn des Maien das erste Ungewitter grollt“) werden in russischen Schulen auswendig gelernt. In seinen frühen Liebesgedichten erscheint die Liebe als Tragödie, als fatalistische Kraft, die zu Verwüstung und Tod führt ( s. „Ach wie so tödlich wir doch lieben“, Gedichte, deutsch-russisch, übertragen von S. v. Nostitz, Neimanis 1992).  Er übersetzte Schiller, Heine und Goethe ins russische. Gestorben ist er in St. Petersburg. Ungeachtet seiner Beziehungen zu Westeuropa gehörte er zu den  Slawophilen und Panslawisten.

 Zu seinem 200. Geburtstag 2003 wurde für ihn im Dichtergarten der Stadt München ein bronzenes Denkmal enthüllt. In  Deutschland ist er eher durch das oben zitierte Bonmot bekannt.

 

Leben und Sterben in Piter Band 2